In den letzten Jahrhunderten waren Märkte ein wichtiger Teil des Alltags in der finnischen (und sicher auch in fast jeder anderen) Gesellschaft. Man hat auf dem Markt, also tori, eingekauft, sich sehen lassen, Freunde und Bekannte getroffen und die neuesten (Klatsch-)Geschehnisse erfahren.
Um ein wenig in diese fast schon verschollene Welt von damals reinzuschnuppern, werfen wir einen Blick in die Vergangenheit:
Es war der Anfang des Sommers in den 60er Jahren in Finnland. Das kleine Mädchen mit blonden Zöpfen saß am Beifahrersitz des grünen Austin Mini und sah aus dem Fenster raus.
Sie durfte morgens mit ihrem Vater mitfahren, als dieser zur Arbeit nach Kajaani fuhr. Am Rande des dortigen Marktplatzes ließ er sie mit einem Pappkarton aus dem Auto aussteigen. Sie war 10 Jahre alt und hatte die feinsten Kartoffeln von Pohjavaara dabei. Auf den Kartoffeln war ein feuchter Jutesack, damit diese im Laufe des Tages in der Sonne nicht vertrockneten.
Das Mädchen verkaufte die Kartoffeln jeden Tag alleine. Oft kamen die lieben Frauen vom Markt ihr zur Hilfe: „Das Mädchen hat gute Kartoffeln, kommt und kauft“, rief die Bäuerin Lempi Tolonen von Ahola Hof. Und die Leute kamen und sie kauften.
Ganz früh am Morgen zog ein herrlicher Duft von frisch gebackenen gerollten Krapfen (kääremunkki) aus der Bäckerei Pekka Heikkinen über den Marktplatz. Das kleine Mädchen gab jeden Morgen der Versuchung nach und bat die alten Frauen kurz ihre Kartoffelkiste zu bewachen, damit sie sich eines der leckeren Röllchen kaufen konnte. Die warme Marmelade lief über ihre kleinen Finger als sie in das Gebäckstück reinbiß.
Am Ende des Sommers hat sie sich von dem Geld ihre erste manuelle Kamera gekauft und schnell mehrere Filmrollen voll fotografiert. 40 Jahre später gründete das kleine Mädchen vom Markt die heutige Firma Kalevala Spirit.
Geschichten wie diese waren nicht unüblich in der damaligen Zeit. Die Marktkultur Finnlands war sehr ausgeprägt und lebhaft, und die Menschen dort wie eine kleine Gemeinde.
Lange Reihen von Kartoffel-, Beeren- und Blumenverkäufern standen damals auf den Märkten und die Menschen kamen jede Woche, um ihre Einkäufe zu erledigen. Fischermänner brachten ihren Fang vom Morgen zum Markt – vor allem Kleine Maränen, Hecht und Zander.
Auch meine Großmutter ging jahrlang jeden Samstag auf den Markt in Kajaani. Sie hatte die besten Spezialitäten der Region zum Verkauf mitgebracht. Diese stellte sie in der Nacht von Freitag auf Samstag her, sodass die Produkte noch am nächsten Tag schön warm waren. Bis zum Mittag waren alle Sachen verkauft.
Das Marktleben war früher für Menschen wie meine Großmutter vor allem noch ein soziales Geschehen. Nach dem Verkauf wurde bei Kaffee und Kuchen getratscht. Auf dem Heimweg brachte Oma noch Waren an ältere Menschen, die den Markt nicht mehr besuchen konnten. Das gehörte sich.
Heute ist die Marktkultur Finnlands insgesamt ruhiger geworden. Besonders das Einkaufsverhalten in Supermärkten hat sie stark beeinflusst.
In Helsinki, Turku oder in der Markthalle in Oulu ist die Marktkultur noch deutlich lebhafter als in den weniger touristischen Städten Finnlands und besonders im Norden. Doch immer noch kann man überall in Finnland jeden Sommer Märkte mit regionalen Produkten entdecken.
Die modernen finnischen Märkte haben sich der heutigen Zeit angepasst. Heute findet man auf vielen Märkten neben den Klassikern – wie Gemüse, Beeren, Pilzen und Blumen – auch besondere Handarbeit und Leckereien zum Sofortessen. Besonders hervorheben möchte ich die köstlichen frittierten kleinen Maränen (paistettu muikku) und die dünnen Crepes (muurinpohjalettu).
Private Flohmärkte werden mit der Zeit zunehmend beliebter und sind immer häufiger auf den klassischen Märkten zu finden. Dies stellt einen deutlicher Kontrast zu den vergangenen Märkten des kleinen nordischen Landes dar. Allerdings setzen die Finnen damit auch ein Zeichen im Kampf gegen den Klimawandel.
Wer mehr über Märkte Finnlands wissen möchte, kann auf der Seite von The Culture Trip auf englisch über die besten 10 Märkte in Finnland lesen und einen vielleicht auch mal besuchen!